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«Wie man baut, wie man lebt»

Zukunftsforscher Matthias Horx

Interview von Pascal Limacher

Titelbild: © Klaus Vyhnalek

Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx präsentiert uns seine Sicht der Zukunft unserer Umgebung und Märkte. Wie werden sich Berg, Tal und Stadt entwickeln und was bedeuten diese Trends für das Bauen und die damit verbundenen Menschen?

Pascal Limacher: Wir dürfen seit 100 Jahren das malerische Bergdorf Lungern mit rund 2’100 Einwohnern stolz unser Zuhause nennen. Die Gemeinde hat eine erstaunliche wirtschaftliche Vielfalt und Wettbewerbsfähigkeit hervorgebracht. Wird die Urbanisierung in 100 Jahren solche Erfolgsgeschichten noch zulassen?

Matthias Horx: Gerade. Denn die Zeiten, als alle immer nur in die Grossstadt auswanderten, sind vorbei. Das ist ja eine der entscheidenden Wirkungen der Coronakrise: Der Megatrend Urbanisierung organisiert sich neu. Es ziehen jetzt viele Menschen wieder von der Grossstadt aufs Land, und das erzeugt neue Energien und Ideen für ländliche und klein-urbane Räume. Arbeit wird flexibler, weniger auf einen Ort fixiert, und die Fabrik oder der Grossbetrieb ist für immer weniger Menschen eine lebenslange Verpflichtung.

Das Dorf Lungern mit See, 1921
Das Dorf Lungern mit See, 1921. Bild: Lungern informiert 2/2021

Wie können ländliche Regionen auch in Zukunft wirtschaftlich und kulturell vital bleiben?

Indem sie einen Mix aus Eigensinn, Mut und Innovationskraft entfalten. Aber auch eine gewisse Weltoffenheit. Ich glaube, das Lebenskonzept der meisten Menschen wird in Zukunft GloKAL [Anm. d. Red.: Globalisierung mit Lokalität vereint] sein: Wir sind Erdbewohner, aber auch Heimatfreunde oder Heimatsuchende. Wenn man beides zusammenbringt, kommt die entsprechende Energie zustande. Was man vermeiden muss, ist ein Sich-Abwenden von der Welt.

Gleichzeitig dürfte auch in Schweizer Städten der Platz knapp werden. Ist Bauen unter der Erde eine Lösung?

Nun ja, auch. Aber es ist ja die Frage, wie man baut und wie man lebt. Es gibt ungeheuer viele Möglichkeiten, aus alten Gebäuden neues Leben zu zaubern. Aus alten Fabriken werden Gemeinschaftswohnprojekte. Aus verlassenen Dörfern touristische Attraktionen. Aus alter Bausubstanz neue Schönheit. Die moderne Architektur kann uns eine Menge Lösungen für die energetische und soziale Lebensgestaltung bieten, die nicht die ganze Landschaft auffrisst.

Zukunftsforscher Matthias Horx; Bild: © Klaus Vyhnalek
Zukunftsforscher Matthias Horx; Bild: © Klaus Vyhnalek

Wird der Städtebau dann komplett von globalen Konzernen beherrscht oder bleibt Platz für innovative Spezialisten?

Das ist eine ewige Frage, deren Antwort aber im Wesen der Systeme liegt. Jeder Trend erzeugt einen Gegentrend. Konzentration erzeugt immer das Freisetzen rebellischer, anderer Ideen, die dem Grossen, Konformen entgegenwirken. Monopole werden irgendwann immer zerschlagen oder sie scheitern im Markt, und das wird auch Facebook, Google und Co so gehen. Gerade das Bauen braucht unentwegt mobile Spezialisten, denn es ist in schneller Bewegung und sehr, sehr differenziert.

Welche öffentlichen Infrastrukturen werden in Zukunft stark ausgebaut?

Vielleicht nicht mehr die Strassen. Aber die Infrastrukturen regionaler und lokaler Nahrungsmittelproduktion. Oder des ökologischen Sourcings. Die Zeit, in der wir Materie von einem Ort der Welt an den anderen schaufeln, mit immer grösserem Aufwand, geht langsam vorbei. Produktionen werden GloKAL. Viele Gebäude werden aus alten Gebäuden gesourct werden.

Ich denke, wir brauchen eine lebendigere Zukunftsvision.

Matthias Horx

Um bei diesem Thema zu bleiben: Sie sind Fürsprecher einer «blauen Ökologie». Was ist darunter zu verstehen?

Ich finde einen Ökologiebegriff, der nur auf Verzicht, Vermeidung, Reduktion und Knappheitsängste setzt, traurig und nicht zukunftsfähig. Ich denke, wir brauchen eine lebendigere Zukunftsvision. Blau ist die Farbe der Hoffnung, der Vision, des Wassers, der Atmosphäre der Erde. Wir sind, auch mit unserer Technologie, Teil der Natur und wir können unsere Tätigkeiten und Instrumente umgestalten, sodass sie uns die Fülle genehmigen, die die Natur ja eigentlich hat. Die Natur ist nicht knapp. Sondern unvorstellbar üppig, verschwenderisch nahezu, aber in einem «intelligenten » Sinne. Denn in Wahrheit wird ja nichts verschwendet. Die Sonne allein bringt 200’000 Mal mehr Energie auf die Erde jeden Tag, als wir jemals verbrauchen können. Wenn es uns gelingen würde, Materie nicht einfach zu verbrauchen, sondern intelligent zu nutzen und immer wieder in den grossen Kreislauf zurückzuspeisen, könnten wir in der Fülle leben, die wir brauchen. Dazu benötigen wir auch moderne Technologie, und gerade bei den ökologischen Technologien ist ungeheuer viel im Gange.

Die Schweiz ist reich an erneuerbarer Wasserenergie. Welche Bedeutung kommt Wasserkraft zu?

Natürlich eine sehr zentrale für die de-fossilisierte Zukunft. Wasser ist ein fantastischer Energiespeicher, da ist noch viel mehr drin, das kann man auch in Kavernen innerirdisch bauen. Kraftwerke durch Gravitation.

Zukunftsforscher Matthias Horx; Bild: © Klaus Vyhnalek
Matthias Horx; Bild: © Klaus Vyhnalek

Würth-Unternehmer Reinhold Würth sagte einmal: «Ein Land voller Soziologen nützt nichts, es muss auch jemand einen Hammer halten können.» Wo sehen Sie in all diesen Zukunftsvisionen jene des technischen Handwerks?

Ich glaube, wir verabschieden uns gerade von der Eierköpferei, also der Über-Akademisierung der Bildung. Ich kenne mehr Leute, die lernen wollen, ein Schwein zu schlachten oder einen Wald zu pflanzen, als die neuesten soziologischen Traktate zu lernen. Wissen wird im Informationszeitalter eher aus der Praxis entstehen, aus dem Tun und Handeln. Kombiniert mit sanfter Neugier. Allerdings müssen wir dem Handwerk seine künstlerische Würde zurückgeben; allzu lange war es eher ein Anhängsel der Industrie. Ich kenne einen sehr klugen Schreiner, der jahrelang gefragt wurde, ob er nicht Ikea-Möbel möglichst billig nachbauen kann. Seit einigen Jahren hört er das nicht mehr, und jetzt läuft das Geschäft in die bessere Richtung. Wir kehren zu einer Idee der Qualität zurück, das Industriezeitalter wandelt sich ja auch.

Matthias Horx
Schon als technikbegeisterter Junge in den 60er-Jahren interessierte sich Matthias Horx für die Geheimnisse der Zukunft. Nach einer Laufbahn als Journalist und Publizist entwickelte er sich zum einflussreichsten Trend- und Zukunftsforscher des deutschsprachigen Raums. Horx veröffentlichte 20 Bücher, von denen einige zu Bestsellern wurden. 1998 gründete er Deutschlands wichtigsten futuristischen Thinktank, das Zukunftsinstitut mit Hauptsitz in Frankfurt und Wien.

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