Zum Gedenken
Mitarbeiter sind das Kapital einer Firma. Diese Aussage wird durch Unternehmer immer wieder geäussert. Wenn aber Mitarbeiter fast 50 Jahre ihre Arbeitskraft für die Firma einsetzen, wird es eine verbindliche Aussage. Mein Berufsleben ist eng mit Sepp verbunden, als Bub auf der Sandfurre (Büro und Werkstatt), bei den Ferienjobs, als Vorarbeiter, Polier, Bauführer und schlussendlich als Firmenbesitzer.
Der 1. Februar 1954 war der erste Arbeitstag von Sepp bei der Bauunternehmung Gasser. Sein Chef war mein Grossvater Karl Gasser-Meier. Als mein Vater 1956 die Geschäftsführung übernahm, bekam die berufliche Entwicklung von Sepp neuen Schub. Durch die starken ausserbetrieblichen Aktivitäten im kommunalen und verbandspolitischen Bereich prägte Sepp die operative Leitung der Firma stark. Er war deren rechte Hand und hatte das volle Vertrauen der Familie Gasser. 1992 übernahm ich die Geschäftsleitung und Sepp arbeitete nun für die 3. Generation als Bauführer. Mit 65 Jahren, am 9. Februar 2002, hatte Sepp seinen letzten Arbeitstag bei der Gasser Felstechnik: «Jetzt rächnä sälber, wiä lang das duiret hed.»
Prägender Einfluss
Und damit kommen wir zum Mitarbeiter Sepp mit den träfen Sprüchen, seiner Fachkompetenz und einer gesunden Bauernschläue bei Arbeitsabläufen und Abrechnungen. Unsere Firma war in der Entwicklung von einer Bauunternehmung zur Spezialfirma, und so umfasste sein Tätigkeitsfeld alles vom Hochbau über den Tiefbau und den Stollenbau bis zu den Sprengarbeiten und der Felssicherung. Sein Bauführerfahrzeug wurde bei Baustellenbesichtigungen von Sepp bis zum Äussersten getestet. Lange Fussmärsche waren nicht sein Ding und die Werkstatt bekam Übung bei der Reparatur von Ölwannen und Auspuffen. Obwohl Sepp nie eine Lehre oder eine Kaderausbildung machte, war er immer auf der technischen Höhe seiner Zeit. Die Gasser Felstechnik AG hat Sepp viel zu verdanken. Den Menschen Sepp muss man erlebt haben. Legendär waren seine Einladungen bei sich zu Hause. Mit der Unterstützung von Lisbeth bekamen Gäste Forellen, Fleisch und Wein in bester Qualität und mit grosser Herzlichkeit serviert. Dadurch entstanden starke persönliche Bindungen. Sein Markenzeichen war die Pfeife, obwohl das Umfeld seine bevorzugte Tabakqualität (Kegel) nicht unbedingt schätzte. Im Unterland sprach man dann bald vom «Pfeifensepp». Im Baukaderverband war Sepp lange Präsident und hinterliess auch dort bleibende Spuren. Dazu kam seine Begeisterung fürs Fischen, was zu einer eigenen Forellenzucht führte.
Humor und Schlitzohrigkeit
Wenn meine Gedanken bei Sepp sind, kommen mir sofort auch seine durch Humor in seiner feinsten Art geprägten Sprüche und seine Kommunikationsfähigkeit in den Sinn: Seine erste Qualifikation meiner Arbeit als 14-jähriger Schüler (im Sommer) lautete: «Mit dieser Arbeitsleistung bist du noch bis Weihnachten da…» Bei einer schwierigen Nachtragsverhandlung mit der Bauleitung führte die Aussage von Sepp, dass gemäss der SIA-Norm 118, Artikel 194 unsere Forderung berechtigt sei, zum Erfolg. Auf meinen nachträglichen Einwand, dass dieser Artikel gar nicht existiere, meinte er lapidar: «Das wissen die ja nicht.» Bei einem Schadenfall, wo sich die Versicherungsfrage stellte, antwortete er: «Dummheit kann man nicht versichern.» Als die Putzfrau einmal den Vorhang in seinem Büro ziehen wollte, wies er sie an, dass das Fenster nicht verdeckt werden soll: «Die sollen sehen, dass auch ich einen Computer habe.» Auf die Frage eines Bauherrn, ob er der Herr Gasser, also Besitzer der Firma sei, antwortete Sepp: «Nein, aber fast.» Sepp hat unserer Welt Adieu gesagt. Seine Familie muss ihre Trauer mit den schönen Erinnerungen verarbeiten. Wir als Firma dürfen stolz auf unseren Mitarbeiter Josef Gasser-Schallberger sein. Ich bin sicher, dass Sepp zusammen mit Edi Grisiger und meinem Vater jetzt genügend Zeit für seinen Schellenjass findet.
Thomas Gasser
