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Die Schritte zu einer erfolgreichen Sicherheitssprengung

Titelbild: Mayk Wendt Photography

Casaccia, Bergell (GR)

Mit einer Sicherheitssprengung von 12’000 m3 Fels schützen wir die Umgebung von Casaccia im Bergell (GR) vor weiteren Felsstürzen. Rund 3.5 t Sprengstoff wurden am 16. Juli um 13.30 Uhr präzise zur Detonation gebracht. Ein Einblick in die Herangehensweise.

Die Sicherheitssprengung Boca Neira aus nächster Nähe

Die Hintergründe dieser Sicherheitssprengung reichen einige Jahre zurück. Im italienischsprachigen Teil des Kantons Graubünden ereignete sich am 24. August 2014 bei Casaccia ein grosser Felssturz. Nach diesem Ereignis wurde die Strasse von Casaccia ins Val Maroz für den Verkehr gesperrt. Im Tal jedoch befindet sich neben einer Alp auch eine lokale Wasserfassung, wofür die Bergstrasse befahrbar sein muss. Die Felsbewegungen im Abbruchgebiet wurden ab 2015 überwacht und die Strasse freigegeben. Im Hinblick auf die verheerende Katastrophe in Bondo 2017 und das verbleibende Restrisiko entschlossen sich die Gemeindebehörden zu einer präventiven Sicherheitssprengung im Gebiet Boca Neira.

Abbaukonzept ist die Kalkulationsgrundlage

Der Augenschein vor Ort stellt für die ausführende Unternehmung eines der wichtigsten Planungsinstrumente bei Sprengarbeiten dar. Die Jahreszeit hatte die Möglichkeit des Erkenntnisgewinns in der Submissionsphase des Projekts mit einer Schneedecke aber stark eingeschränkt. Auf Basis der detaillierten Ausschreibungsunterlagen der Caprez Ingenieure AG und des Geologiebüros Bonanomi konnten unsere Sprengtechnik- Experten dennoch ein Abbaukonzept für die Sicherheitssprengung entwickeln. Das Abbaukonzept diente uns in der Submissionsphase als Kalkulationsgrundlage für den Sprengauftrag.

Casaccia, Bergell (GR)
Die abgesperrte Baustelle

Digitale Drohnenvermessung als Erfolgsschlüssel

Digitale Technologien ermöglichen heute eine deutlich präzisere Vermessung. Diese gilt als Erfolgsschlüssel für exakt angelegte Sprenganlagen. In den letzten Jahren haben wir in Vermessungssysteme investiert, welche effizientere und präzisere Bruchwandvermessungen ermöglichen. Beim Projekt Boca Neira kamen Drohnen für die Vermessung zum Einsatz, was eine wesentliche Rationalisierung des Prozesses ermöglichte. Der grosse Vorteil von Drohnen liegt darin, dass in unzugänglichem oder schwer einsehbarem Gebiet, wie es in Casaccia der Fall war, schnell und kostengünstig Plangrundlagen beschafft werden können. Mit dem Tauwetter stand einer Begehung auf der Sprengstelle nichts mehr im Wege. Unsere Sprengmeister bestimmten das Bohrraster und steckten die Bohrlöcher inklusive GPS-Koordinaten der Bohrlöcher vor Ort ab. Während der Begehung wurde die Bruchwand mit der Drohne aufgenommen und daraus im Büro ein 3D-Modell der Sprenganlage erstellt.

3D-Modell der Sprenganlage

Gemeinsam mit den Vertretern der Gemeinde Bergell, der Bauleitung Caprez Ingenieure AG und Geologe Yves Bonanomi verglichen unsere Projektverantwortlichen das 3D-Modell mit den Unterlagen aus dem Vorprojekt. In diesem partizipativen Planungsschritt wurde festgestellt, dass das Kluftmodell und das fotografisch generierte 3D-Modell exakt übereinstimmten. Die gewünschten Blockgrössen aus der Sprenganlage wurden besprochen und definiert. Das 3DModell diente den Sprengmeistern weiter als Grundlage für die Bestimmung der Zünderlängen, für die Planung des redundanten Zündsystems und der Installationsflächen sowie zur Definition der notwendigen Sperrzonen im akut absturzgefährdeten Abbauperimeter.

Casaccia, Bergell (GR)
Bohrarbeiten

Logistische Herausforderungen

Da der Zugang zur Baustelle grundsätzlich per Helikopter erfolgte und bei Schlechtwetter daher nicht jederzeit gewährleistet werden konnte, war ein Flucht- und Sicherheitskonzept für Notfälle angezeigt. Die Fluchtwege mussten begangen werden, Notrationen an Verpflegung wurden vorbereitet und die Notschlafstellen mitsamt sanitären Anlagen geplant. Am 22. Juni 2020 trafen die ersten Lastwagen in Casaccia ein. Ein Teil des Baustellenteams bereitete das Material und Inventar für den Helikoptertransport vor, der andere Teil flog bereits zur Baustelle und bereitete die Installationsflächen vor. Dank Wetterglück konnte sämtliches Inventar und Material planmässig geflogen werden. Die Baustelle wurde für Mensch und Tier abgesperrt und signalisiert. Absturzsicherungen, Sperrzonen und Anseilstellen wurden dem Sicherheitskonzept folgend erstellt und eine Telejointanlage zur Sperrzonenüberwachung in Betrieb genommen. Bei der Installation galt es zudem Umweltauflagen einzuhalten.

Präzise Bohrungen und Ladeberechnung

Die Bohrlöcher erstellten wir mit Imlochhämmer und Handbohrlafetten. Zur Verkürzung der Bauzeit arbeiteten wir mit zwei Bohrequipen. Bohrlöcher in der für eine erfolgreiche Sicherheitssprengung notwendigen Präzision auszuführen, stellt eine echte Herausforderung dar. Die bis zu 42 m tiefen Sprenglöcher forderten den involvierten Bohrmeistern ihre volle Erfahrung ab. Nach Abschluss der Arbeiten wurden die Bohrlöcher mit einer Bohrlochsonde vermessen und die gewonnenen Daten dem 3D-Modell hinzugefügt. So konnten wir den genauen Bohrlochverlauf ermitteln. Als schlussendlich alle Plangrundlagen und Vermessungen der gebohrten Sprenganlage vorhanden waren, erfolgte die Ladeberechnung. Jedes Bohrloch wurde einzeln betrachtet und die dafür notwendige Sprengladung berechnet und dokumentiert. Die Ladesäulen wurden aufgezeichnet und betriebsintern besprochen. Dabei spielte die Erfahrung aller Beteiligten eine wesentliche Rolle, damit schlussendlich eine erfolgreiche Sprengung verzeichnet werden konnte.

Casaccia, Bergell (GR)
Die Sprenglöcher sind geladen

500 Millisekunden entscheiden

Am Montag, 13. Juli, wurde der Sprengstoff auf die Baustelle Boca Neira eingeflogen und mit den Ladearbeiten begonnen. Ziel war es, die Sprenganlage bis Mittwochabend zu laden, um am 16. Juli pünktlich sprengen zu können. Die Sprengwachen für die Nächte zwischen dem 13. und 16. wurden aufgezogen – und dabei mit Bratkäse vom Rechaud-Ofen bei Laune gehalten. «Auf Gebirgsbaustellen ist ein guter Teamspirit noch etwas entscheidender», meint Robert Haas, Leiter Sprengbetriebe, mit einem Schmunzeln. Am Sprengtag fand frühmorgens eine Koordinationssitzung aller Beteiligten statt, um den Tagesablauf bis zum Sprengtermin nochmals genau zu takten. Nach drei Tagen intensiver Vorbereitungen unter hoher Konzentration sollte sich nun in 500 Millisekunden über Erfolg oder Misserfolg der Sicherheitssprengung entscheiden.

Zündung!

Die Absperrposten wurden bezogen und das Felssturzgebiet nochmals mit dem Helikopter abgeflogen, um sicherzustellen, dass sich keine Personen oder Wildtiere in der Gefahrenzone befinden. Während das Sicherheitsdispositiv aufgezogen wurde, erstellten wir das redundante Zündsystem und kontrollierten die gesamte Sprenganlage nochmals eingehend. Pünktlich um 13.30 Uhr durfte der verantwortliche Sprengmeister die Sicherheitssprengung Boca Neira nach den Hornsignalen auslösen. Die rund 3.5 t Sprengmittel detonierten vollständig und beförderten 12’000 m3 Fels ins Tal. Nach der Besichtigung der Sprengstelle konnte ein erfolgreiches Ergebnis verzeichnet werden. «Es lief einfach alles perfekt», bilanziert Geologe Bonanomi, «der Fels wurde exakt so abgeschnitten wie geplant.» Am 22. Juli konnte die Baustelle der Gemeinde wieder übergeben werden. «Wie diese Sprengung und allgemein die ganze Arbeit abgelaufen ist, ist absolut vorbildlich», lobt Ueli Weber, zuständiger Vize-Gemeindepräsident von Bregaglia, die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Bauleitung, Ingenieuren, Geologen und unserer Unternehmung.

Casaccia, Bergell (GR)
Sicherheitssprengung Boca Neira. Bild: Mayk Wendt

Technische Daten
Sprengfels 12’000 m3
Sprengstoff 3.5 t

Robert Haas

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