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Seychellen: Wissenstransfer zeigt Wirkung

Mahé, Seychellen

Im Auftrag der Regierung der Seychellen coachen wir lokale Akteure im Naturgefahrenmanagement. Ziel ist es, dass der afrikanische Inselstaat Naturrisiken selbst bewältigen kann. Während zehn Wochen waren wir vor Ort, um Wissen zum Management und zur praktischen Bauausführung zu vermitteln. Das nachhaltige Entwicklungsprojekt konnte bereits für zusätzliche Sicherheit sorgen.

Extremniederschläge führten am 6. Dezember 2023 zu Erdrutschen und Steinschlägen, forderten vier Todesopfer und zerstörten zahlreiche Häuser. Nach der Unwetterkatastrophe beschloss die Regierung der Seychellen Massnahmen. In der Folge wurden wir mit dem Mandat betraut, einen Projektplan zur nachhaltigen Naturgefahrenbewältigung auszuarbeiten – die Lösung wurde im Wissenstransfer an die lokalen Behörden und Bauunternehmen gefunden (wir berichteten). Rings um die Behörde Disaster Risk Management Division (DRMD) wurde eine Kerngruppe geschaffen: Fünf Spezialisten aus verschiedenen Departementen und ein Parlamentsabgeordneter fanden darin zusammen. Die Gruppe war im März 2025 in der Schweiz auf einwöchigem Arbeitsbesuch, um mehr über unsere Methodik zu erfahren.

Seychellens Kerngruppe in der Schweiz
Seychellens Kerngruppe auf Arbeitsbesuch in der Schweiz

Unser Team auf den Seychellen

Ende April dann startete unser zehnwöchiger Einsatz auf Mahé, der Hauptinsel der Seychellen. Ein vierköpfiges Baustellenteam mit drei Felssicherungsspezialisten und einem Mechaniker sowie mir als Projektleiter reiste an. Es galt, die Behörden sowie lokale Bauarbeiter in der praktischen Bauumsetzung von Schutzmassnahmen gegen Steinschlag und Murgang zu trainieren – und dabei gleich die drängendsten Gefahrenherde zu bereinigen.

Video: SBC News

Mehrere Einsatzorte

Wir waren von Beginn an mit Aufgaben an mehreren Schadensplätzen beschäftigt. Der Hauptfokus galt zuerst dem Bau einer temporären Zufahrtsstrasse auf St. Louis Hill – einem steilen Hügel mit Sendeanlagen und der Luftüberwachung auf dem Gipfel und Wohnsiedlungen am Fuss. Unser eingeschifftes Inventar und Baumaterial, das anschliessend von den Seychellen übernommen wird, musste auf Kleinfahrzeugen vor Ort gebracht werden.

Die praktischen Trainings

Es folgte eine erste Schulung in Gerätekunde, Arbeitssicherheit und Seilsicherungstechnik. Bereits am dritten Tag machte sich unser Team mit den Einheimischen an die praktische Umsetzung mit der Erstellung einer Netzabdeckung. Auf den Bauplätzen konnten die verschiedenen Teams unter unserer Leitung viel Erfahrung sammeln und das Bauhandwerk der Felssicherung erlernen. Alle Techniken der Gerätschaften, Materialien und Anwendungsarten waren Neuland. Schnell war klar, dass auch solche Trainings, die etwas von Grund auf erklären und dann praktisch umsetzen, für die Seychellois neu sind.

Wir lernen die Bedingungen kennen

Parallel dazu mussten einige in Rückstand geratene Vorarbeiten beschleunigt werden. Wir waren gefordert, uns an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Denn an immer neuen Herausforderungen mangelte es nicht: Aushub- und Abfuhrarbeiten mit indischen Gastarbeitern – voll motiviert, aber mit einfachsten Mitteln. Bewachung von Bauplätzen gegen Diebstahl. Zugangserlaubnis für eine temporäre Baupiste einholen beim pensionierten Parlamentssprecher. Klärung der Logistikaufträge und der Versorgung – ad hoc und erstaunlich einfach. Dafür umso längere Diskussionen im Vorfeld der Stahlbetonarbeiten.

Gastarbeiter

Sich anpassen, aber auch fordern

Und dann noch diese Geschichte: Ein Baustellenzugang belegte die Zufahrt zu einem Landwirtschaftsbetrieb, die betagte Mutter des Landwirts musste während eineinhalb Jahren einen mühsamen Umweg laufen. Innert einer Woche wurde auf unser Drängen hin endlich die Strasse geräumt. Unsere Crew war zum Abendessen mit der ganzen Familie eingeladen. Die Lektion, die wir aus obigen Erfahrungen gezogen haben: Anpassung ist wichtig, aber wir dürfen und müssen auch fordernd bleiben gegenüber unseren Auftraggebern. Nur so schaffen wir den erhofften Fortschritt.

Intensive Zusammenarbeit

Erfolgreiche Baumassnahmen

Der Fortschritt auf den Baustellen konnte sich dann jedenfalls sehen lassen: Der St. Louis Hill wurde mit einer 6 m hohen und 40 m langen 2’000 kJ-Steinschlag- und Murgangbarriere versehen. Die erste ihrer Art im Land. Oben am Gipfel führten wir Verankerungen instabiler Felspartien aus. Im felsigen Gebiet Bel Ombre haben wir einzelne Blöcke temporär vernetzt, um sie mit einem Handgerät zu spalten und kontrolliert abzubauen. Gemeinsam mit den lokalen Arbeitern wurden so 920 m Verankerungen, 450 m2 Netzabdeckungen und 200 m Verseilungen gebaut sowie 50 m3 Fels abgebaut. Während diese dringlichen Stellen nun entschärft sind, lauern an den steilen Hängen des Inselparadieses weiter viele Gefahren.

Coaching der Behörden

Ein Baustellenbetrieb auf den Seychellen läuft oft kaum planbar ab, vieles wird improvisiert. Doch am Ende des Tages funktioniert es, dank viel Kommunikation über viele Stellen. Auf Managementstufe galt es, die Strukturen grundsätzlich zu hinterfragen und eine ganz neue Strategie zu fahren. Der Arbeitsbesuch der Kerngruppe in der Schweiz hatte dafür den Weg geebnet. Dies erleichterte nun die Arbeit in Workshops auf den Seychellen, in denen alle relevanten Themen von Gefahrenerkennung, Priorisierung, Planung, Kalkulation, Budgetplanung bis zu Vertragswesen und Dokumentation umfassend geschult und auch gleich praktisch angewendet wurden.

Ein Masterplan gegen Naturgefahren

Am 2. Juli konnte ein mit unserer Unterstützung erstellter Masterplan der Regierung präsentiert werden – dieser wurde vollständig genehmigt. Teil des Plans ist die Schaffung einer interdisziplinären Taskforce für ein adäquates Naturgefahrenmanagement. Es ist unabdingbar, dass diese Taskforce nun unabhängig und mit Fachwissen innerhalb ihres Budgets arbeiten kann. Dies ist die Voraussetzung, dass das von uns vermittelte Know-how auf den Seychellen weiter wachsen kann und die weit verbreiteten Naturrisiken eigenverantwortlich minimiert werden können. Wir sind nun also daran, dessen Umsetzung zu planen. Künftig werden wir eine beratende Funktion einnehmen, ergänzt durch partielle praktische Unterstützung vor Ort.

«This is the blueprint and the beginning of a broader national agenda to fortify Seychelles against the threats we face today, and those we will face tomorrow.»

ERROL FONSEKA, Innenminister der Seychellen
(in Today in Seychelles, 28. Juni 2025)
Innenminister Errol Fonseka
Innenminister Errol Fonseka

Viel Anerkennung

Das Vorhaben erfährt auf den Seychellen aktuell einige Beachtung und wird auch medial durchwegs positiv aufgenommen. Für die Sensibilisierung der Bevölkerung und für die Akzeptanz gegenüber baulichen Eingriffen ist das hilfreich. Gasser Felstechnik schreibt hier einen Teil der Geschichte der Seychellen mit und erfährt viel Anerkennung von der Bevölkerung, aber auch von der gesamten Regierung. Am 27. Juni konnten wir die Eröffnungszeremonie der Steinschlag- und Murgangsperre St. Louis Hill begehen, unter Beteiligung von Staatspräsident Wavel Ramkalawan, Innenminister Errol Fonseka und Bauminister Billy Rangasamy. Von Präsident Ramkalawan wurden dabei feierlich die Kursdiplome an die Beteiligten ausgehändigt, welche ihre erfolgreich absolvierten Trainings bezeugen.

Internationale Entwicklungszusammenarbeit
Naturgefahren beschränken sich nicht auf den Alpenraum – sie treten weltweit in unterschiedlichen Formen auf: Überschwemmungen, Erdrutsche, Waldbrände, Stürme, Erdbeben und Steinschläge. Katastrophenhilfe konzentriert sich oft auf akute Krisenbewältigung. Wo jedoch mit weiteren Ereignissen zu rechnen ist, reicht das nicht aus. Wenn lokale Voraussetzungen gegeben sind, kann gezielter Wissenstransfer in der Prävention ein wirksamer und nachhaltigerer Ansatz sein. Auch privatwirtschaftliche Akteure können dabei Verantwortung übernehmen.

Leistungen Naturgefahrenberatung, Baubegleitung
Bauzeit April – Juli 2025
Auftraggeber Disaster Risk Management Division Seychellen

Ruedi Degelo

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